Kategorie: Mein Leben als Mamahonk

Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ein Mythos oder Meisterschaft? In der Kategorie ‘Familie & Beruf’ findet ihr Anekdoten, Interviews, Lifehacks und Faktenchecks für den Gleichklang von Privat- und Arbeitsleben.

Das Estherakel – Oder warum die Welt mehr Hebammen braucht

Heute ist ein Tag der ersten Male. Zum ersten Mal seit der Geburt von Knöpfchen habe ich Ausgang. Ausgang heißt, ich tue etwas nur für mich. Es kam zwar vor, dass ich ohne die kleine Krawallschachtel unterwegs war. Doch dann diente die Unternehmung einen bestimmten uneigennützigen Zweck. Zahnarzt, Einkauf, Vortrag über Krebserkrankungen… Und zum ersten Mal seit Beginn meiner Schwangerschaft gehe ich heute also nun in die Sauna. Ganz allein. Ohne Tochter. Ohne Mann. Kurz hatte ich überlegt, eine Freundin zu fragen. Doch bevor der Gedanke zu Ende gedacht war, hatte ich ihn verworfen. Allein. Nur meine Gedanken und ich. Dieser Tag passt wunderbar dazu. Es scheint die Sonne. Frühlingsatmosphäre macht sich breit. Dementsprechend gering ist die Besucherzahl. Die Gedanken dürfen schweifen. Wohin? Ich überlege, wann ich das letzte Mal sauniert habe. Das war noch in Dresden. Denke ich an Dresden, landen meine Gedanken sehr schnell bei dem Geburtshaus Bühlau. Mehr oder weniger zufällig bin ich an diese fantastische Einrichtung geraten. Meine Wohnung lag daneben. Meine Frauenärztin praktizierte dort. Dass sie für ein Geburtshaus arbeitete, war mir nicht klar. Geschweige denn, dass ich eine Ahnung von dem Konzept gehabt hätte. Die Hebammen und Ärzte dort lieben ihren Job. Mit Schwangerschaftsbeginn besuchte ich eine Vortragsreihe rund um das Thema Geburt. Ganz ehrlich, wäre ich nicht schwanger gewesen, ich hätte es nach diesen Vorträgen werden wollen. Das Personal zelebrierte Schwangerschaft und Geburt regelrecht. Sie heiligten die Frau. Das Gefühl vermittelten sie mir zumindest. Das tat unendlich gut. Als wäre es heute, erinnere ich mich an die Worte von Esther, während meines 1. Gesprächs mit ihr, einer Hebamme. Dabei geriet ich mit Esther an eine Person, an die ich keine hohen Erwartungen hatte. Sie wirkte sehr resolut. Und mit ihren grauen Locken und bunten Stoffen sah sie mir nach mehr Alternativität aus als ich meinte, vertragen zu können. Frisch geschwängert, stets von leichter Übelkeit sowie zerrender Müdigkeit geplagt und hormonell durcheinander ließ sich mein Zustand durchaus als vulnerabel beschreiben. Ich litt unter den Krebsdiagnoses meiner Eltern, das schlechte Gewissen meinem Arbeitgeber gegenüber aufgrund der bevorstehenden Auszeit bedrückte mich und gleichzeitig zerriss mich die bevorstehende Entscheidung für oder gegen einen Wohnortwechsel von Dresden nach Jena. Was tat Esther, als ich in Tränen aufgelöst vor ihr saß? Mit energischer Stimme legte sie los: “Mensch, in Jena gibt es auch ein prima Geburtshaus. Da gehst’e hin. Durch den Mutterschutz hat dein Verein sogar ausreichend Zeit und Geld, um Dein Abgang zu sortieren. Da packst du deine sieben Sachen, gehst zu deinem Mann und deiner Familie, bekommst in Ruhe dein Kind und nach deiner Elternzeit, da hat die Merkel das ganze Chaos hier geordnet und da gibt’s für dich auch eine Festanstellung im Migrationsbereich. In Jene lebt’s sich’s bene.” Mit nur fünf Sätzen hatte Esther mein Leben geordnet. Sie war tatsächlich so resolut, wie sie aussah. Und das war gut so. Jetzt 1,5 Jahre später liege ich in der Sauna und lasse mir diesen Sätze durch den Kopf gehen. Schritt für Schritt habe ich jede dieser Etappen absolviert. Getragen von dem Gedanken an mein Knöpfchen. Alles hat sich gefügt. Es war nicht immer leicht. Viele Unsicherheiten und schmerzvolle Abschiede begleiteten den Weg. Grenzenlose Freude über meine Tochter machte all das vergessen. Inzwischen stehe ich wieder an einem Scheidepunkt. Der berufliche Wiedereinstieg ist in greifbare Nähe gerückt. Ich habe das nächste Jobangebot. Eine Leitungsstelle im Migrationsbereich. Wie es das Estherakel prophezeite. Ich bin Esther sehr dankbar dafür. Dankbar, dass sie die Angst vor all den Veränderungen, die die Schwangerschaft für mein Leben bedeutete, geradezu hinwegfegte und mir die Leichtigkeit verlieh, die meine Tochter verdient hat! Erfüllt von der Dankbarkeit für eine Hebamme, die eben viel mehr als ‘nur’ Geburtshelferin war, schwitze und triefe ich vor mich hin. Komme gedanklich in der 100 Grad heißen Sauna an. Der Puls rast. Ich blicke aus dem Fenster. Auf ein Pool mit eiskaltem Wasser. Einmal mehr beobachte ich ein  Phänomen, das mir schon früher beim Saunieren auffiel: Fühlt ein Männchen sich unbeobachtet, steigt es zögerlich in das kühle Nass und verbleibt nur wenige Sekunden darin. Bibbernd schwingt es sein Handtuch um sich und verkrümelt sich in den Ruhebereich. Kaum nähert sich allerdings ein geschlechtsreifes Weibchen oder ein weiteres Männchen, wird das Handtuch kraftvoll hinfort geschleudert, mit ausholender Geste in den Pool geköpft, der mit dynamischen Zügen flott durchquert wird. Schließlich wird lässig noch ein paar Sekunden am Poolrand abgehangen, um kernig grunzend dieses Balzritual abzuschließen. Der Anblick eines eher sauerstoffarmutsblau als krebsrot gefärbten männlichen Körpers amüsiert mich dermaßen, dass ich heute tatsächlich auf meine Kinderriegel verzichte. So eine Auszeit tut gut. Doch jetzt habe ich Sehnsucht nach meinem Kind.

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Mamicus Komparativus

Mamicus Komparativus erwischt dich dann, wenn du nicht damit rechnest.

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Mama

Weiterbildung in Sachen Familiensinn

Nicht selten bringt eine Schwangerschaft einen Umzug mit sich. So auch bei mir. Ein halbes Jahrzehnt arbeitete ich in Dresden. Als Bildungsreferentin. Ich liebe meinen Job. Als ich schließlich endlich schwanger wurde, stand ich vor einer meiner schwersten Entscheidungen. In Dresden bleiben, wo ich einen Beruf ausübte, der nicht nur mit einem tollen Team, Chef und Gehalt bestückt war, sondern mich auch inhaltlich sehr erfüllte? Oder nach Jena zum Kindsvater ziehen, wo ein Rest der Familienbande lebt und beide gesundheitlich leicht bis mittelschwer angeschlagenen Großeltern in der Nähe sind, allerdings berufliche Chancen den Sinkflug gen Null eingeleitet hatten? Ich entschied zugunsten der durch Lebenspartnerschaft und Abstammung begründete Lebensgemeinschaft. Dazu muss ich dezent darauf hinweisen, dass berufliche Unsicherheiten für mich das sind, was Trump für die Welt ist: Unerträglich. Sie kommen einem persönlichen Armaggedon nahe. Diese Entscheidung steht dennoch in einem Kontinuum gleichgesinnter Entscheidungen. Die nächste traf ich kurz nach der Geburt meiner kleinen Krawallschachtel. Gerne wollte ich meine beruflichen Wiedereinstiegschancen durch eine Fortbildung in die Nähe der Realität rücken. Das Spektrum der Bildungsmöglichkeiten berauschte mich. Ich spürte den Zauber des Neuanfangs. Es kribbelte. Was also sollte ich tun? Ein Fortbildung als Coach absolvieren? Als Beraterin? Podologin? Ich fällte erneut eine Entscheidung. Und zwar, die Elternzeit zu genießen. Ein viertel Jahr später hatte ich die Möglichkeit eine Tätigkeit als Projektleiterin in Jena anzutreten. Sofort war ich Feuer und Flamme. Ich betrachtete meine Tochter und lehnte ab. Ich bin mir sicher, ein Großteil der Leser*innen wird den Kopf ob dieser Naivität schütteln. Fast jede Mutter, der ich meinen Werdegang seit der Schwangerschaft dargelegt hatte, blickte mich fassungslos an. Regelmäßig höre ich von Eltern, die ihren Wohnort zum höheren Gehalt verlegten. Und ich? Das schlechte Gewissen zahlreichen Frauen gegenüber, die mühevoll die Ausdehnung des weiblichen Berufsbildes auf Politik, Medizin oder Technik vorangetrieben haben, krabbelte mich regelmäßig unter meiner Kopfhaut. Und dennoch bin ich mehr Mensch denn je. Auch mit der Arbeitslosigkeit im Nacken. Ja, ihr Lieben, ich gehöre zu den dämlich grinsenden Muttis, die durch die Gegend spazieren und erzählen, dass sie gerade die beste Zeit ihres Lebens erleben. Und nein, mein prämaternales Leben war weder öde noch leer. Ich bin den Grand Canyon hinab- und hinaufgestiegen, habe in Marokko den Tupkal erklommen, in Minsk studiert, am Rande des Urals gearbeitet, mit dem Rad die Alpen überquert, im Bolschoi Theater Boris Godunov genossen, in Mostar auf einem Mienengebiet geogecacht. Ja, ich weiß, was es heißt am Leben zu sein. Doch nichts hat mich lebendiger fühlen lassen als das Lächeln meiner Tochter. Ich könnte stundenlang schwärmen und euch mit meinem Glück zuschwallen. Bis ihr brechen müsst. Einklang mit mir selbst! Woran ich das merke? Während meiner Zeit als Bildungsreferentin habe ich viel mit Jugendlichen über Identität und die eigene Rolle in der Gesellschaft diskutiert. Als Einstieg machten wir immer eine kleine Assoziationsübung. Dazu sollte man acht Rollen benennen, die man im Alltag einnimmt. Zum Beispiel Tochter, Sportlerin, Bloggerin und sie anschließend priorisieren. Selbstverständlich habe ich mit Kolleg*innen die Übung vorab selbst durchgespielt. Ich definierte meine Zugehörigkeiten als Tochter, Freundin, Radfahrerin, Schwester, Bildungsreferentin, Läuferin, Bloggerin und Lebensgefährtin. Anschließend galt es, in drei Schritten jeweils zwei Zugehörigkeiten aufzugeben, deren Bedeutung geringer war als die der verbliebenen. Nacheinander entfernte ich sechs Karten. Schließlich blieben bezeichnenderweise die Rollen Bildungsreferentin und Lebensgefährtin übrig. Als Letztes sollte man zwischen diesen beiden wählen. Zögerlich, doch letztlich warf ich die Karte Lebensgefährtin weg. Meine berufliche Selbstverwirklichung bedeutete alles. Und jetzt? Jetzt steht auf der letzten Karte: Mutter. Vielleicht urteile ich in einem halben Jahr anders. Vielleicht wird mir langweilig und ich giere nach Bildung und Schaffen. Doch jetzt erfüllt mich nichts mehr und vermittelt mir mehr Vertrauen in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als das Lächeln meiner Tochter.

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Zeit

Die Wertigkeit von Zeit

In den ersten Wochen nach der Geburt empfand ich den vermeintlichen Unterschied zwischen Personen mit und ohne Nachwuchs nicht so bemerkenswert. Vor der Geburt hatten´mir ratgebende Mütter die Inkompatibilität von Eltern und Nicht-Eltern groß angekündigt. Sie prophezeiten mir ein Sozialleben ausschließlich unter Müttern. Alles eine Frage der Zeit!? Read it, like it or leave it!

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Weihnachten in Familie

Weihnachten in Familie

Vom Friedhof ins Krankenhaus. Das ist die Zusammenfassung unseres ersten Weihnachten in Familie. Diesmal waren alle Erwartungen untererfüllt. Read it, like it or leave it.

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Erste pädagogische Schritte

Mein Jahr startete mit dem Charme einer voll geschissenen Windel und der schmerzhaft erworbenen Erkenntnis, dass meine Tochter meine Brüste zum lebenden Inventar ihrer Spielzeugkiste zählt. In den letzten Tagen des vergangenen Jahres entwickelte sie die Angewohnheit, mich in die Brust zu beißen. Sie hatte sehr viel Freude daran. Ich etwas weniger. Autoritär-streng erklärte ich ihr also, dass sie das doch bitte unterlassen möge, weil es ihrer Mama Schmerzen bereite. Ich erhob sogar ansatzweise den Zeigefinger. In irgendeinem schlauen Ratgeber hatte ich von dieser Vorgehensweise gelesen. Das klingt ja immer so fluffig: Erklären sie ihrem Kind einfach, was es falsch macht. Sie werden überrascht sein, was es alles schon versteht. ORRR. Dünnpfiff. Die Kleine hörte sich alles aufmerksam an und knabberte anschließend munter weiter an den Nippeln, die sie nähren. Von ihrem unschuldigen Wesen überzeugt erlag ich anfänglich der Annahme, sie sei einfach müde. Bis ich sie dabei beobachtete, wie sie ihr Mund leicht öffnete, mich von schräg unten beäugte, sich meiner Aufmerksamkeit vergewisserte, nach kurzem Zögern herzhaft zubiss und diebisch feixte als ich entsetzt ihren Namen rief. Ihre Milchzähne sind zwar klein, jedoch höllisch scharf. Nach kurzer Umfrage im Mama-Netzwerk löste sich das Problem recht schnell. Die nächsten Versuche vereitelte ich durch herzhaftes Brust-Bashing. Wild entschlossenes  Andiebrustdrücken! Bis die Luft wegbleibt. Klingt grausam,  funktioniert aber. Probiert es ruhig aus. Leider in meinem Fall nicht lange. Mein Knöpfchen kompensierte den Verlust des liebgewonnenen Spiels, indem es meine Brüste wie eine Bäckerin den Brotteig kräftig knetete. Bei ihren ungeschnittenen Fingernägeln erspare ich mir so jedenfalls den Gang zum Tätowierer. Ich fülle einfach etwas Tinte in die Wunden und schon habe ich nette Kratzspuren einer Tigerpranke auf der Brust. Hat etwas Verwegenes. Bei dem Versuch ihre kleinen Patschehändchen durch Festhalten an ihrem umtriebigen Treiben zu hindern, erhielt ich ein dumpfes Knurren als Reaktion. Erschrocken ließ ich ihre Hände los und schirmte meine Brust vor denselbigen ab. Ergebnis: Ihre mich abtastenden Hände  fanden keinen Durchlass. Hurraaa! Reaktion: Tja, ich kann nicht sagen, dass sie mich nicht gewarnt hätte. Ihr Knurren verstummte und nach drei Sekunden tödlicher Stille rammte sie ihre Hauer in meine Nippel. Möff. Pädagogischer Output gleich Null. Sechs setzen. Wenigstens habe ich nun die Gewissheit, dass meine Tochter sich durchbeißen kann. Und ich? Ich beiße jetzt erstmal in einen Kinderriegel.

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