Man soll das Kind stillen, solange es hungrig ist
Stillen scheint ein Thema zu sein, das für Zündstoff sorgt. Jajaja, ich weiß. Eigentlich wollte ich von heiklen Themen die Finger lassen, sie höchstens wohlwollend- kooperierend kommentieren. Also: Jede Mama ist auf ihre Art fantastisch. Zumindest das eigene Kind findet das. Und genau diesen Ansprüchen müssen wir genügen. So, genug davon, runter mit den Samthandschuhen! Stillen ist bei weitem nicht der Weisheit letzter Schluss. Nicht selten zwingen ein trinkfaules Kind, wunde Warzen oder Milchknappheit eine Mutter in die Knie. Der Griff zur Flasche ist die logische Konsequenz. Wieder andere Mütter entscheiden sich ganz bewusst für das Milchpulver. Bitteschön! Jeder wie er es mag. Fläschchen geben ist ja auch furchtbar praktisch. Insbesondere, wenn die Weichmacherhormone den Beckenboden endlich in Frieden lassen und frau so eine reelle Chance erhält, ihren after-birth-body in… Ja, in was? Na, auf jeden Fall in etwas, was der Ausgangsfigur relativ nahe kommt, zu verwandeln. Ich stille leidenschaftlich gern. Gut, das mit der Stilldemenz – darauf hätte ich verzichten können. Heute kann ich darüber lachen, der Mann nicht. Doch, wenn ich schon all diese Einschränkungen in Kauf nehme, lasse ich mir das Stillen von niemanden madig machen oder habe ein schlechtes Gewissen. Ich ziehe blank, wann und wo ich will. Nicht im Klaren darüber, dass Stillen in der Öffentlichkeit als Provokation empfunden werden könnte, brüskierte ich kürzlich mit einem barbusigen Cafébesuch eine Bekannte. Mein Weltbild ist geprägt von an Brüsten nuckelnden Babys. Dementsprechend hinterfragte ich das Stillen in der Öffentlichkeit genauso wenig wie das Essen. Es ist schlichtweg eine existenzielle Notwendigkeit. Selbst bei meinen Aufenthalten in der arabischen Welt sah ich Mütter, die ihr Kind in der Öffentlichkeit anlegten. Welch traumatische Bewusstseinszustände das Geständnis meiner Mutter, ich selbst sei ein Flaschenkind, bei mir auslösten, lässt sich schwer in Worte fassen. Dementsprechend ging ich relativ gedankenlos mit meinen nackten Brüsten um. Die Erregung beim Anblick der Brust bar packt nicht etwa ältere Leute oder Männer. Nein! Die Empörung kommt von anderen Müttern. So hielt meine Bekannte – während ich stillend neben ihr im Café saß – ein flammendes Plädoyer für Frauen, die Manieren noch wertschätzten und nicht aller Welt ihr “Brustfleisch auf’s Auge” drückten. Stein des Anstoßes war das Foto einer jungen Frau, die ihr Kind in einem gut besuchten Einkaufszentrum stillte. “Wie kann man sich nur so in der Öffentlichkeit entblößen? Da muss man doch Rücksicht nehmen!“, blökte sie. “Was erwartet Du?”, erwiderte ich. “Soll sie auf eine Stunde beschränkte Blitzaufenthalte in der Stadt haben, um pünktlich beim nächsten Knurren des Babymagens Zuhause zu sein?” Da klingt ja eine Isolationshaft entspannter. Das moralische Empfinden meiner Bekannten erlitt einen Schlaganfall als ich ihr von der isländischen Abgeordneten berichtete, die während einer Parlamentsrede ihr Neugeborenes stillte . “Das so etwas erlaubt ist?! Das gehört verboten“, quakte sie. Orrr. Echt? Wer hat dich denn zur Stillpolizei ernannt? Zugegeben, bei der Parlamentarierin handelt es sich tatsächlich um eine recht unkonventionelle Variante des Stillens in der Öffentlichkeit. Allerdings nicht mit Rücksicht auf das dünn besetzte Parlament, sondern auf das Neugeborene. Seit dieser lebhaften Diskussion stille ich erst recht immer und überall, wo es mir bzw. meinem Knöpfchen beliebt. Versteht mich nicht falsch, ich will nicht ein Grundbedürfnis meiner Tochter zum Politikum stilisieren. Dennoch überkommt mich jedes mal eine biblische Freude, wenn das Mäusezähnchen an den unmöglichsten Orten nach Sättigung verlangt. Zu diesem Zweck führe ich meine kleine Top-7-Liste ungewöhnlicher Stillorte. Man mag mir eine gewisse Infantilität unterstellen. Doch, wenn an nackigen Frauen in der Werbung weniger Anstoß genommen wird als an stillenden Mütter, ist es auch für mich Zeit, meine Brüste in Position zu bringen. Hier sind sie – meine Top 7 ungewöhnlicher Stillorte Babykonzert: Gutgemeintes Event der Philharmonie Jena, das Eltern und Kind den gemeinsamen Genuss klassischer Werke ermöglichen sollte. Man nehme ein Orchester, ein paar Decken für die Kleinen und ein paar Stühle für die Großen und sperre 200 erziehungsberechtigte Personen ca. 1h in einen Saal. Wer davon letztendlich profitierte, blieb mir ein Rätsel. Wer durchdrehte, war offensichtlich. Auf jeden Fall zeigte sich beim Stillen, dass meine Tochter sich nicht von Tschaikowsky inspiriert, sondern eher irritiert fühlte. Gottesdienst: Meine Elternzeit nutzte ich dafür, mir eine Gemeinde zu suchen und mich taufen zu lassen. Mit diesem Weg liebäugelte ich schon lange. Bisher fehlte allerdings die Zeit, um dem ernsthaft nachzugehen. Bei meiner Suche stieß ich auf die hiesige Luthergemeinde. Als ich den Gottesdienst das erste mal besuchte, begab ich mich etwas früher hin, um mein Töchterchen vorher satt und müde stillen zu können. Ich fragte, wo ich das tun könne. Man platzierte mich in einen großen Saal mit dem Hinweis, mir ruhig Zeit zu lassen. Es kämen eh alle erst fünf vor um. Ohne groß über diese Worte nachzudenken, dockte ich mein Knöpfchen an. Sie saugte gierig und schmatzte laut. Ich hatte sie wirklich lange hingehalten. Sie trank und trank und trank. Es kamen die ersten Leute in den Saal. Mein Kind gluckste, guckte…und trank. Immer mehr Menschen kamen, bald war der letzte Platz besetzt. Die Kleine trank. Der Pfarrer begrüßte die Gemeinde. Langsam wurde ich nervös. Die Orgel setzte ein und die Kleine…trank. Café: Fast schon langweilig, weil so stino. Für mich jedoch immer wieder spannend, wie die anwesenden Gäste reagieren. Insbesondere ältere Damen sind der festen Überzeugung, dass Jungmütter Eigentum der Öffentlichkeit sind und nutzen jede Gelegenheit, um entweder dem Kinde in irgendein Körperteil zu kneifen oder die Fluchtunfähigkeit der stillenden Mutter auszunutzen und ihr währenddessen die eigene mütterliche Biografie darzulegen. Wahlweise wird das Nachwuchsverhalten der eigenen Kinder seziert. Stehend auf dem Feld: Wie es dazu kam, ist mir bis heute ein Rätsel. Von Zeit zu Zeit lichtet sich der Nebel, der mein Mutterhirn umgibt. Da kann es passieren, dass man sich auf einem Feld, mit entblößter Brust und einem Kindlein am Nippel, wiederfindet. Still happens Im fahrenden Auto: Ich weiß, ich weiß, bevor das moralisierende Gerede losgeht, das ist gefährlich, verboten und sowieso ein totales Unding. Dennoch ich habe es getan. Es geschah im Juli bei sengender Hitze. Wir befanden uns auf der Rückfahrt nach Jena. Meine Kleine im
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