Familienzentrum und Familienservice Jena – Für Familien da – auch im Lockdown
Die Pandemie bringt viele Familien an ihre Grenzen. Tipps und Unterstützung bietet das Familienzentrum und der Familienservice Jena. Kathleen König ist die Leiterin des Familienzentrums und des Familienservices Jena. Seit einem Jahrzehnt steckt sie ihre Energie und Kreativität in die Familienarbeit und ist nicht mehr wegzudenken aus dem Leben zahlreicher (werdender) Eltern in Jena. Im Interview berichtet sie, was sie und ihr Team tagtäglich leisten und wie Corona ihre Arbeit verändert.

Mamastisch: Kannst Du bitte darstellen, was das Familienzentrum macht?
Kathleen König: Wir kümmern uns um alle Belange, die Familien bewegen und belasten. Wir halten ein umfangreiches Kursangebot für Eltern vor. Angefangen von Kursen vor der Geburt z.B. der Babykurs, wo Eltern ganzheitlich auf das Leben mit dem neuen Familienmitglied vorbereitet werden bis hin zu Kursen nach der Geburt (Rückbildung, Babymassage, PekiP, Spiel- und Bewegungskurse sowie Spielgruppen). Bei uns können Eltern mit anderen Eltern in Kontakt kommen und Kinder Anregungen erhalten. Häufig sind Familien in der Elternzeit recht isoliert und sehr dankbar für den Austausch.
Wichtig sind dabei auch unsere offenen Angebote wie Familienfrühstück, Familiencafé, Alleinerziehendentreff, Zwillingstreffen etc. Zu den offenen Angeboten laden wir gerne thematische Ansprechpartner*innen ein wie Personal vom Jobcenter oder eine Familienanwältin, die zum Thema Umgang und Unterhalt Rede und Antwort steht. Träger ist das Zentrum für Alleinerziehende und Familien e.V.
Mamastisch: Gibt es weitere Bereiche?
Kathleen König: Ja, zu dem Angebotsportfolio von unserem Verein gehören außerdem die Konflikt- und Sozialberatung für Schwangere und Familien, der Kinder- und Jugendschutzdienst „Strohhalm“ sowie drei Kitas (Burgauzwerge, Saaleknirpse und Kinderschirm). Außerdem koordiniert der Verein das Jenaer Bündnis für Familien sowie das Netzwerk für Alleinerziehende.

Mamastisch: Eure Arbeit richtet sich auch an Familien, bei denen aus verschiedenen Gründen nicht immer alles geradlinig verläuft. Als ich selbst Eure Kursangebote besuchte, stammte jedoch die Mehrheit der Mütter und Väter aus stabilen Verhältnissen. Wie erreicht Ihr Eltern aus bildungsfernen Kreisen?
Kathleen König: Hier vor Ort (Jena Nord) ist es nicht einfach, Eltern aus sozial schwächeren Verhältnissen zu erreichen. Deswegen haben wir uns mit den Angeboten des Elternschule-Netzwerks “GEMEINSAM STARK” auf den Weg gemacht und sind in die verschiedenen Stadtteile von Jena gegangen. Das reicht von dem Freizeitladen in Winzerla über das Klex in Lobeda bis zum Café Lenz in Wenigenjena.
Mamastisch: Erreicht Ihr die Familien auf diesem Weg?
Kathleen König: Ja, das wird super angenommen. Die Kinder der Familien (u.a. mit Migrationshintergrund) gehen z.B. ins Klex und nehmen die Nachmittagsangebote wahr. Da sind die Mütter sehr dankbar, wenn sie wöchentlich auch ein Angebot finden, das sich an ihren Bedürfnissen orientiert. Im Klex bieten wir beispielsweise Elternseminare an. Im letzten Jahr hatten wir 4-6 Seminare. Wichtig ist immer, dass es ein bisschen Essen dazu gibt. Wir haben auch Sprachmittler*innen eingesetzt. In Jena haben wir das Glück, dass das Jugendamt insgesamt 18 Elternseminare pro Jahr fördert. Das ist echt ein Segen.
Mamastisch: Wie verändert sich Eure Arbeit während eines Lockdowns?
Kathleen König: Wir müssen alle Kurse runterfahren. Beim ersten Mal war das kompletter Stillstand. Schritt für Schritt wechselten wir in den Distanzbetrieb. Auch diesmal stehen wir weiterhin als Ansprechpartner für Familien und Alleinerziehende zur Verfügung. Wir setzen unsere Beratungen über Telefon und Skype fort. (Kontakt: 03641-3112320). Das wird sehr gut angenommen. Corona macht mit vielen Familien etwas. Wir können auf diese Weise etwas Druck rausnehmen. Das ist unsere Hauptaufgabe.
Im Sommer durften wir unter strikten Auflagen die Angebote wieder hochfahren. Allerdings mussten die Gruppen sehr homogen gestaltet sein. Vor der Pandemie durfte auch mal ein Geschwister oder die Oma mitkommen. Danach durfte nur ein – möglichst immer das gleiche – Elternteil in den Kurs. Die Eltern reagieren ganz unterschiedlich. Die Spaltung der Gesellschaft im Umgang mit der Situation ist deutlich zu spüren. Viele Eltern sehnen sich sehr nach Normalität und andere sind sehr ängstlich. Die offenen Angebote sind während eines Lockdowns ausgesetzt. Stattdessen begleiten die Kolleg*innen die Teilnehmenden und versenden wöchentlich Elternbriefe, mit Tipps und Anregungen an alle Eltern.
Mamastisch: Wie ist das Stimmungsbild bei anderen Kommunen oder Netzwerkpartnern?
Kathleen König: In Thüringen gibt es 17 Familienzentren. Wir sind in der Landesarbeitsgemeinschaft miteinander vernetzt und tauschen uns aus. Dabei war schon festzustellen, dass die Kommunen teilweise unterschiedlich mit dem Thema umgingen. Die Stadt Jena erschien mir recht vorsichtig, andere waren da freizügiger. Während des ersten Lockdowns haben wir per Mail zusammengetragen, wer macht was? So blöd die Situation insgesamt auch war, so hat es bei uns einen Digitalisierungsschub gegeben. Wir haben angefangen in neue Richtungen zu denken. Sportkurse werden zum Beispiel virtuell angeboten. Nichtsdestotrotz haben wir gemerkt: Der face-to-face-Kontakt ist unersetzlich.
Mamastisch: Gibt es Dinge, die auch über die Pandemie hinaus fortgeführt werden?
Kathleen König: Ja, z.B. die Möglichkeit des Home Offices. Unsere Lap Tops wurden mit einem entsprechenden Zugang ausgestattet, sodass man auch von Zuhause arbeiten kann. Es hat uns moderner gemacht. Es fühlt sich nicht unbedingt besser an. Das hat sicherlich etwas damit zu tun, dass die soziale Arbeit immer am Menschen ist.
Mamastisch: Haben sich Bedarfe der Familien durch die Pandemie geändert?
Kathleen König: Familien kamen und kommen mit allen möglichen Problemlagen zu uns. Das Thema ‘Trennung’ ist immer präsent und wir können aus unserer Erfahrung nicht bestätigen, dass es zugenommen hat. Es ist leider gleichbleibend hoch.

Mamastisch: Ich kann mir vorstellen, dass im Lockdown manche Bereiche besonders nachgefragt sind…
Kathleen König: Ja, seit Beginn der Pandemie hat der Familienservice an Bedeutung gewonnen. Wir vermitteln Kinderbetreuer*innen und Alltagsbegleiter*innen, die vor Ort Familien unterstützen. Viele Familien kommen mit Homeschooling und Home Office an ihre Grenzen. Es gibt Arbeitgeber*innen, die zur Entlastung ihrer Arbeitnehmer*innen eine Alltagsbetreuung finanzieren und zum Beispiel für zwei Stunden pro Tag eine Unterstützung ermöglichen.
Mit verschiedenen Firmen, z.B. dem Universitätsklinimkum Jena, haben wir bereits vorher im Rahmen des Familienservices Verträge geschlossen und das war und ist während des Lockdowns sehr wichtig. Zwar werden Kinder von dem Krankenhauspersonal in den Kindergärten betreut, doch es reicht ein kleiner Schnupfen und sie werden nach Hause verbannt. Dementsprechend haben unsere Kinderbetreuer*innen gut zu tun. Die sind wie so Ersatzomas und Opas.
Mamastisch: …und zählen damit zur Risikogruppe…
Kathleen König: Ja, viele von ihnen sind bereits älter. Trotzdem sagen sie, ich möchte da sein und unterstützen. Wir haben auch Erzieher*innen im Pool, die nach ihrer Arbeit oder, weil sie selbst in Kurzarbeit sind, zu den Familien gehen und sie entlasten. Sie nehmen teilweise lange Wege auf sich, da viele Anfragen auch von Familien auf dem Dorf kommen. Wir haben von der Initiative Innenstadt Jena Masken erhalten, die habe ich an die Kinderbetreuer*innen verteilt, sodass sie geschützt sind. Ja, es war und ist eine Zeit in der wir viel Solidarität erfahren haben.
Mamastisch: Wie hat sich das Verhältnis zwischen der Stadt Jena und dem Familienzentrum geändert?
Kathleen König: Es hat sich nichts geändert. Es gab keinen Druck. Wir sind einfach ein verlässlicher Partner. Wir hatten eher das Gefühl, dass städtische Einrichtungen nicht wirklich greifbar für die Familien in der Krise waren und dann haben sie eher den Kontakt zu uns gesucht. Wir arbeiten schon so lange gut miteinander, dass passt schon so. Wir mussten nicht in Kurzarbeit. So konnten viele Ängste genommen werden.
Mamastisch: Was bedeutet Dir Deine Arbeit?
Kathleen König: Da muss ich ganz spontan an eine Mutter denken, die ich während eines studienbegleitenden Praktikums bei einem Alleinerziehendentreff kennenlernte. Sie hatte drei Kinder und besuchte verschiedene Angebote in unserem Haus. Wir haben über die Jahre Kontakt gehalten. Inzwischen sind ihre Kinder bereits erwachsen und die beiden ältesten Töchter haben selbst Kinder. Sie kommen auch in das Familienzentrum. Dies inspiriert mich besonders, wenn wir Familien über Generation hinweg stärken und unterstützen können.
Mamastisch: Vervollständige bitte den Satz: Corona bedeutet für das Familienzentrum…
Kathleen König: Corona bedeutet für uns einerseits ein Stück herunterfahren und andererseits blicken wir mit viel Hoffnung und Zuversicht auf das Jahr 2021, in dem wir wieder in den normalen turbulenten Betrieb zurückkehren können.
Mamastisch: Was wünschst Du Dir für die Arbeit des Familienzentrums?
Kathleen König: Kontinuität, Wertschätzung, Fortbestand. Die Familien brauchen uns! Ich sage das so ausdrücklich, weil die Arbeit im sozialen Bereich immer mit Unsicherheiten behaftet ist. Wir arbeiten nach §16 SGB VIII und sind keine Pflichtleistung der Kommune. Was passiert, wenn Prioritäten nicht in unserem Bereich sind? Wir erfahren viel Unterstützung von der Stadt Jena, doch Gewissheit hat man nie. Da bleibt ein mulmiges Gefühl.
Mamastisch: Vielen Dank für das Gespräch!

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