Migrantisch.Weiblich.Selbstständig. – Olga Ramanouskaya
Olga Ramanouskaya kam 2006 aus Weißrussland an den Bodensee – mit nichts als zwei Koffern und 500,00 € für die Rückreise. Drei Hochschulabschlüsse, zwei Gründungen und zwei Kinder später lebt sie in der Schweiz ihre perfekte Vorstellung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was sie antreibt, ob ihre Herkunft ihr half und was sie tut, wenn gar nichts mehr geht, erzählt sie im Interview. Viel Spaß beim Lesen!
Mamastisch: Erzähl uns bitte, wer Du bist, woher Du kommst, was Du machst und wie lange Du schon selbstständig bist?
Olga Ramanouskaya: Mein Name ist Olga, ich bin 37 Jahre alt und komme ursprünglich aus Weißrussland. Ich bin Mutter von zwei Kindern und selbstständig als Networkerin im Segment nachhaltiger Konsum bzw. Green Business. Vor 15 Jahren kam ich im Rahmen Germanistikstudiums als DAAD-Stipendiatin nach Deutschland. Leider wurde mein Studium nicht anerkannt, sodass ich noch ein Germanistikstudium in Konstanz absolviert habe.
Mamastisch: Wie kam es zu dieser Entscheidung, Dich selbstständig zu machen? Gab es einen konkreten Auslöser oder ist die Idee länger gereift?
Olga Ramanouskaya: Nach meinem Studium war ich für fünf Jahre in der Tourismusbranche tätig. Im Angestelltenverhältnis hatte ich immer den Drang, „Mein Ding zu machen.“ Als Ausländerin darf man sich aber nicht einfach selbstständig machen bzw. es gibt sehr hohe Hürden. Als mein Sohn vor 4,5 Jahren auf die Welt kam, war ich im Projektmanagement an der HTWG Konstanz tätig. Das war aufgrund der Arbeitszeiten nicht einfach zu vereinbaren. Im Mai 2018 ergab sich für mich die Möglichkeit, selbstständig als Integrationskursleiterin tätig zu werden. Parallel dazu beantragte ich meinen deutschen Pass und nutzte die Gelegenheit, mein eigenes Unternehmen „Conectico“ zu gründen. Ich bot Sprach- und interkulturelle Trainings an. Parallel habe ich ein Fernstudium BWL gemacht, um mir die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zur Führung eines Unternehmens anzueignen. Die Selbständigkeit als Sprachdozentin bot mir die perfekte Möglichkeit, meine Arbeitszeit selbst einzuteilen und trotzdem für meinen Sohn da zu sein. Im Februar 2020 zog ich mit meinem Mann in die Schweiz, wo ich nach der Geburt meiner Tochter als Networkerin tätig bin.
Mamastisch: Welche Vorteile und Nachteile siehst Du in der Selbstständigkeit?
Olga Ramanouskaya: Selbstständigkeit bedeutet für mich vor allem selbstbestimmtes Arbeiten und ich kann das hervorragend mit meiner Rolle als Mama verbinden, d.h. ich muss nicht in endlosen, sinnbefreiten Teambesprechungen sitzen, muss mich vor niemanden rechtfertigen, wenn ich früher gehen muss, um meinen Sohn abzuholen, ich muss keine Überstunden machen.
Es gab Zeiten, da war ich sehr unsicher, ob die Selbständigkeit der richtige Schritt für mich ist. Das Wissen zu Versicherungen fehlte mir. Fehlendes oder niedrigeres Einkommen bei Krankheit des Kindes oder Urlaubsreisen z. B. nach Weißrussland sind erstmal ein Nachteil.
Wichtig war in dem Kontext für mich jedoch die Erkenntnis, dass ich trotz Krankphasen meines Sohnes oder Reisen nach Weißrussland, in denen ich nichts verdiente, im Durchschnitt das gleiche Jahreseinkommen hatte wie im Angestelltenverhältnis. Das hat mir den finanziellen Druck genommen.
Es gab eben sehr gute Monate mit einem Bruttoverdienst bis 3.800,00 € und Monate mit 1.000,00 €. Die zeitliche Flexibilität und dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind für mich klar Vorteile. Und die Selbstbestimmung ist ein wesentlicher Faktor. Ich war in der Hotellerie tätig. Dort gab es strenge Vorgaben oder Meetings, die zeitraubend waren. Jetzt spare ich einfach Zeit, in dem ich meine Entscheidungen selbst treffe und meine Ideen umsetze. Wenn es nicht klappt, sehe ich das sofort und kann etwas ändern.
Kurzfristig gesehen, ist es schön, als Angestellte am Ende des Monats ein festes Gehalt zu haben. Und man muss sich um solche Dinge wie Sozialversicherung oder Auftragssuche nicht kümmern. Das entlastet natürlich einen. Langfristig ist es für mich reizvoller, unabhängig von einem Chef oder einer Chefin zu sein, meine Entscheidungen selbst zu treffen und mir ein nachhaltiges stabiles Einkommen aufzubauen, von dem ich auch im Rentenalter gut leben kann.

Mamastisch: Viele Mütter schrecken vor dem Schritt in die Selbstständigkeit zurück. Welche Eigenschaften braucht man, um (als Mutter) erfolgreich selbstständig zu sein?
Olga Ramanouskaya: Mut und Vertrauen – vor allem in Dich selbst. Der Glaube an sich ist alles. Und Du brauchst ein ganz starkes ‚Warum‘. Wofür mache ich das? Wenn Du diese Frage für Dich beantworten kannst, schaffst Du es. Ich habe mein ‚Warum‘ auf zwei Visionboards visualisiert. Wenn es Momente gibt, in denen ich nicht weiterweiß, blicke ich darauf und komme wieder auf meiner Energiewelle. Alles andere, die Organisation und das Wissen, das kommt Schritt für Schritt. Wenn man sich vor der Selbstständigkeit 1000 Fragen stellt, fängt man gar nicht erst an.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Mamas ist eine gut organisierte Kinderbetreuung. Vormittags ging mein Sohn zur Tagesmutter und abends sowie an Wochenenden, wenn ich Termine in Nürnberg oder München hatte, übernahm mein Mann bzw. eine Nanny.
Heute arbeite ich komplett im Home-Office, was ich sehr gut mit den Kindern vereinbaren kann. Da ich im Network Marketing hauptsächlich mit Mamas wie ich arbeite, sind die Kinder bei den Meetings kein Störfaktor und dürfen gerne dabei sein.
Wichtig ist es auch sich klar zu machen, dass es immer eine andere Option gibt. Und diese andere Option darf man nicht als Rückschritt oder Scheitern verstehen. Ich hatte immer eine Option für den Fall, falls es nicht funktionieren sollte. Als ich nach Deutschland kam, wusste ich, ich kann jederzeit zurück zu meinen Eltern nach Weißrussland. Als ich „Conectico“ gründete, wusste ich, ich kann zurück in die Tourismusbranche. Und als Frischepartnerin im Network Marketing darf ich meine Selbständigkeit mit dem Mama-Sein perfekt verbinden. Und mein Unternehmen „Conectico“ habe ich auch noch.
Mamastisch: Was ist Dein ‚Warum‘?
Olga Ramanouskaya: Mein ‚Warum‘ ist einerseits die Vereinbarkeit von Job und Kind und andererseits ganz klar die persönliche wie finanzielle Freiheit. Und ich möchte anderen zeigen, was man aus eigener Kraft erreichen kann. Sieh mal, ich komme aus einem kleinen Dorf in Weißrussland, wo es vor 5 Jahren noch Internet seht selten war.
Mamastisch: Was empfiehlst Du also anderen Müttern?
Olga Ramanouskaya: Just do it! Offen sein für die Möglichkeiten, dann kommen sie auf einen zu. Dann einfach tun und im Tun bleiben.
Mamastisch: War es für Dich ein Vor- oder Nachteil als Migrantin in Deutschland zu gründen?
Olga Ramanouskaya: Die Sprache kann ein Stolperstein sein. Sprachlich war es für mich zum Zeitpunkt der ersten Gründung kein Problem, da ich schon lange in Deutschland lebte. In jedem Fall empfehle ich die Sprache zu lernen. Das ist gut für das Selbstvertrauen.
Sicherlich fehlte mir das Know How zu Beginn. Doch ich rief einfach die zuständigen Stellen an und fragte mich durch, googelte viel im Internet. Das unterscheidet mich allerdings nicht von Einheimischen.
Die Mentalität des Elternhauses und der Gesellschaft spielt auch eine große Rolle. Ich komme aus Weißrussland. Meine Eltern sind nicht selbstständig und man ist es nicht gewöhnt bei uns, selbstständig zu arbeiten. Fehlende Rollenvorbilder können auch ein Stolperstein sein. Zu Sowjetzeiten war man nicht selbstständig oder hat einfach Jobs gewechselt. Insbesondere am Anfang gab es da bei mir die Zweifel: „Kann ich das oder kann ich das nicht?“.
Gleichzeitig hat mich die Erfahrung, mit nur zwei Taschen und mit meinem Pass nach Deutschland zu kommen und trotzdem zu überleben, sehr geprägt. Meine Mutter hatte mir 500,00 € mitgegeben, damit ich mir ein Ticket zurück nach Weißrussland kaufen kann, falls es nicht klappt. Das war alles. Ich bin völlig ins Ungewisse eingetaucht. Weder eine Unterkunft noch eine Versicherung hatte ich. Die Erfahrung hat meine Risikobereitschaft und den Glauben an mich gestärkt.

Mamastisch: Gab und gibt es Momente, in denen Du denkst: „Ich schaffe das nicht?“ Wie gehst Du mit diesen Gedanken um? Wie motivierst Du Dich für Deine Aufgaben?
Olga Ramanouskaya: Natürlich gibt es solche Momente. Sport und Natur bieten mir Ausgleich. Ich schnappe meine Tochter und gehe spazieren. Außerdem springe ich regelmäßig in den See – auch im Winter. Oder wahlweise in den Schnee, wenn ich es nicht bis zum See schaffe. Das bringt mich runter.
Außerdem bin ich keine Perfektionistin, was Haushalt, Job und Kinder betrifft.
Nicht zu unterschätzen ist der Austausch mit meinem Team. Insbesondere, wenn es mal nicht so rund läuft, muntern sie mich sehr auf.
Mamastisch: Welche Rolle spielt dein Mann?
Olga Ramanouskaya:
Er glaubt an mich, unterstützt mich bei meinen Ideen und lässt mir den nötigen Freiraum. Er beteiligt sich auch am Haushalt und übernimmt die Kinder, wenn ich mal Zeit für mich brauche. Wir sind ein gutes Team.
Was wichtig ist, er gönnt mir den Erfolg! Mein Wunsch ist, dass er in ein paar Jahren seine 100%-Stelle reduzieren und so mehr Zeit für die Familie haben kann.
Mamastisch: Hast Du weiblichen Vorbilder?
Olga Ramanouskaya: Ja, eine Frau namens Tamara. Sie ist eine echte Powerfrau und hat eine Weinstube in Konstanz. Zu Beginn des Studiums bin ich in sämtliche Cafés und Restaurants gegangen und habe gefragt, ob sie einen Job für mich haben. Sie hat mir schließlich einen gegeben. Es war wie Liebe auf den ersten Blick. Ich habe zehn Jahre bei ihr gearbeitet und konnte so mein Studium finanzieren. Sie hat mir immer wieder Mut und den Glauben an mich gegeben.

Mamastisch: Was ist für Dich Erfolg und bist Du erfolgreich?
Mit der Frage habe ich mich viel persönlich und auch wissenschaftlich auseinandergesetzt. Ist es Erfolg, einen Porsche zu fahren? Oder ist es Erfolg, Zeit für die Kinder zu haben und viel in der Natur zu sein?
Mein persönlicher Erfolg ist es, Zufriedenheit und Glück zu empfinden, Zeit für mich und die Familie zu haben, ohne Hektik und Stress zu leben. Und ich möchte andere Frauen erfolgreich machen mit meinem Business.
Mamastisch: Viele Selbstständige kämpfen sehr mit den Auswirkungen von Corona. Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Deinen Alltag als Selbstständige?
Mein erstes Business hätte sicherlich größere Auswirkungen zu spüren bekommen. Doch mein Partnerunternehmen ist mit 40% im Jahr 2020 gewachsen. Davon profitiere ich sehr. Sicherlich könnte ich angesichts der Herausforderungen verzweifeln. Doch ich bin ein anderer Charakter und frage stattdessen: „Ok was machst du jetzt, wo kannst du dich noch einbringen?“. Hier in Mitteleuropa stehen uns doch alle Möglichkeiten offen. In Weißrussland sieht das anders aus. Dann arbeite ich jetzt eben nur online. Ich denke nicht so viel darüber nach, was ich verliere, sondern überlege lieber, was kann ich neu gewinnen? Ich begreife Krisen als Chancen.
Mamastisch: Was sind Deine Visionen?
Ich möchte finanziell und persönlich frei sein. Das bedeutet für mich, viel zu reisen und Projekte zu realisieren, die einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten. Zum Beispiel Frauen, die neu in der Schweiz ankommen, interkulturell zu begleiten. Eine kleine Sprachschule zu sozial verträglichen Preisen wäre schön.
Mit meinem Green Business möchte ich einen grünen Fussabdruck in dieser Welt hinterlassen, der Umwelt etwas Gutes tun und die Menschen zu solchen Themen wie Nachhaltigkeit, Gesundheit, Ethik und Zusammenhalt sensibilisieren.
Mamastisch: Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Dir, dass Du noch viele Frauen begeisterst!
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