Pimp my beruflicher Wiedereinstieg 2.0

Zu den Dingen, die mich am meisten Nerven kosteten, gehörte neben der inzwischen gesellschaftlich akzeptierten falschen Verwendung des Apostrophs in “Bratwurstolaf’s Grillbude” die Tatsache, dass meine Elternzeit im Februar endete.

Die Zeitrechnung von austragenden Elternteilen (sowie wahrscheinlich auch von nicht-gebärenden Elternteilen) orientiert sich nicht an der Geburt Christi, sondern an der Geburt des Nachwuchses. Das Jahr NULL ist die Geburt des Kindes. Das klingt dann ungefähr so: „Wann haben wir das Auto gekauft? Ach ja, das war als Knopf mich mit einem halben Jahr mit Kürbisbrei traktierte. Also, warte, 2017.“ Alternativ wird die Zeit eingeteilt in Kitajahre, Schuljahre oder eben Elternzeit.

Meine Elternzeit mit Fünkchen endete nun. Es stand der berufliche Wiedereinstieg an. Quasi ein Zeitenwechsel. Das bedeutete für Mamahonks Zeitrechnung, dass ich am 28. Februar Silvester zu feiern hatte, es richtig krachen ließ und am 01. März mit einem ordentlichen Kater NICHT auf Arbeit erschien. Denn ich war krank.

Read it, like it or leave it!

Zwölf Monate erzählte ich Hinz und Kunz, wie sehr ich die Arbeit vermisste. Arbeit vermisste ich allerdings nur, wenn ich nicht dort war. War ich auf Arbeit, vermisste ich mein Zuhause. Mein Arbeitgeber benötigte dementsprechend viel Geduld und Fantasie, um mich in den Hinterhalt fröhlichen Arbeitens zu locken.

Ich überlegte, es zu handhaben wie in den knallharten Verhandlungen zur Mediennutzung mit meiner Tochter: „Ok, 5 x die Woche arbeite ich im Home Office, dafür komme ich am zweiten Freitag jeden ungeraden Monats ins Büro.“ Wenn mein Arbeitgeber dann noch eine Gehaltserhöhung und die Reduktion der Arbeitsaufgaben draufpackte, sprachen wir von Arbeitsbedingungen, die mein Mamahonkhirn arbeitstauglich machten.

Mein Arbeitgeber tat tatsächlich sein Bestes. Mir wurde eine Aufstockung um 25% angeboten. Gehalt, Aufgaben und Team stimmten. Schlagartig wurde mein Es kreidebleich, der Kreislauf sackte in den Keller und auf der Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Damit hatte es nicht gerechnet.

Gerne ließe mein Es jetzt den Anti-Kapitalisten heraushängen und postete bei Instagram: “Hinfort! Ich bleibe bis zur Rente in Elternzeit.” Fünkchen wäre dann 27 Jahre alt. Passt. Vorher ließ ich sie sowieso nicht ausziehen.

Doch ich kannte mindestens eine, die sich von solch einer Brandrede null beindrucken ließ: Mein Über-Ich. Noch während mein Es seine Schmähschrift auf allen Social-Media-Kanälen teilte, unterzeichnete mein Über-Ich das Angebot meines Arbeitgebers.

Weshalb mein Es so nervös war? Nichts gegen Kindergärten, nichts gegen beruflichen Widereinstieg, nichts gegen Doppelbelastung (oder doch?), keine Frage, das waren alles Notwendigkeiten im Leben eines Mamahonks. Zumindest, wenn es nicht reich geboren, reich verheiratet oder sich reich gewirtschaftet hatte.

Doch zu den größten Falschaussagen der Menschheitsgeschichte gehört, dass Familie und Beruf vereinbar sind.

Das wurde mir bewusst als Fünkchen während der Eingewöhnung erst mit einem saftigen Magen-Darm-Virus und anschließend mit einem hartnäckigen Bronchitis-Sinusitis-Double die gesamte Familie lahmlegte und meinen beruflichen Wiedereinstieg um ein paar Tage verzögerte.

Das war ein typischer Mamahonk-Moment: Es nervte mich unendlich, nicht wie geplant arbeiten zu können. Gleichzeitig nervte es mich, bald wieder arbeiten zu müssen und nicht für mein krankes, uneingewöhntes Baby da sein zu können. Schon hatte mich die verfluchte Vereinbarkeits-Zerrissenheit wieder.

Sei es durch diese Zerrissenheit, durch den Schlafmangel oder durch die Krankheit – ich wurde sentimentaler als Karamzins “Bednaja Liza”. Beim Anblick meines Babys musste ich immerzu weinen. Es war wie Abschied nehmen. Allerdings war und bin ich keine Mama, die drei Jahre und länger Zuhause bleiben konnte. Da ging ich intellektuell vor die Hunde. Ich liebe meine Kinder, doch ausschließlich Haushalt und Kinderbetreuung erfüllten mich nicht. Beruf und Kinder gleichzeitig hingegen zerrissen mich.

Ich stellte mir daher ernsthaft die Frage, wie meine perfekte (Arbeits-)Welt als Mama aussähe? Eine Welt, in der Familie und Beruf vereinbar sind? Eine Welt, in der ich eine Arbeit habe, die mich erfüllt, ausreichend finanzielle Mittel bringt, nicht überfordert und genügend Zeit sowie v.a. Nerven für die Bedürfnisse meines Nachwuchs’ bietet? Home Office? Online Business? Vollzeit und Mann übernimmt die Care Arbeit? Ausstieg als Selbstversorgerin?

Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich gar keine Klarheit hatte, wie ich mir das perfekte Vereinbarkeitsmodell eigentlich vorstellte. Tatsächlich hatte ich nur die Ahnung davon, dass ich mir die Gelassenheit und die finanziellen Mittel einer Millionärin herbei sehnte, um mir eine permanente Ernährungsberatung, Reinigungsfachkraft, persönliche Trainerin, Babysitterin leisten zu können. Dann hätte ich ausreichend Zeit und Nerven, für meine Kinder, mich selbst und meine Beziehung und hielte mir all die unliebsamen Tätigkeiten vom Leib, die zeitgenössisch unter dem mental load subsumiert werden und nichts anderes als die mentale Belastung meint.

Stattdessen fürchtete mein ES, dass der Wiedereinstieg der große Stresstest für unsere Familie und mich ganz persönlich würde. Mein Über-Ich blieb ausnahmsweise recht gelassen und erarbeitete Strategien zur erfolgreichen Bewältigung des beruflichen Wiedereinstiegs:

1. Pimp my Optik: Ich war nie eine Frau, die einen gesteigerten Wert auf ihr Äußeres legte. Praktisch und funktional sind die entscheidendsten Kriterien bei der Kleidungswahl. Doch nach dreizehn Monaten mit kleinem Säugling im Arm und Sportklamotten am Leib, hatte vermutlich jede Frau ihren Moment, wenn sie in den Spiegel blickte und das eigene Spiegelbild nur in Mobbinglaune war.

Mein Spiegelbild spuckte mir meine 40 Jahre einzeln ins Gesicht. Ich neigte nicht dazu, zu jammern. Doch jetzt fand mein Über-Ich mich doof und wünschte mir nichts sehnlicher als einen Friseurtermin, ein Schminktutorial und neue Klamotten.

Ich widmete mich dem exzessiven Erwerb auf Ebay-Kleinanzeigen von zahlreichen geschäftsmäßig aussehenden Etuikleidern. Doch auch das chicste Etuikleid konnte die Wahrheit nicht kaschieren: Ich bin ein Mamahonk. Meine Kleider passten weder zu den Schuhen noch waren sie frei von Flecken.

2. Pimp my Gleichberechtigung: Eine weitere Stellschraube, den beruflichen Einstieg so sanft wie möglich zu gestalten, war eine gute Absprache mit dem Mann. Ein Mensch, wie der Mann, galt anderswo als ausgestorben. Er vertrat eine politische Überzeugung in konservativer Optik, die keinen Hehl daraus machte, dass sie in Wirklichkeit aus allerfiesester Ablehnung des Establishments bestand, die innerlich wie äußerlich seit 30 Jahren unverändert überdauerte und auch den kommenden 30 Jahren grimmig entgegenblickte.

Kurzum, ein Mensch zu dem man sich hin- und zugleich von ihm weggezogen fühlen konnte, mit dem man sich aber auch häuslich niederlassen und immer auf ihn zählen konnte. Meine Insel. Eine Insel wie der Mann ging nicht einfach so unter, er war solide, auf ihn war Verlass. Als ich vorzeitig während Knöpfchens Elternzeit wiedereinstieg, rettete er mir schon mal meinen beruflichen Hintern und begab sich freiwillig in den Kosmos von Krabbelgruppen, Windeln und Lauflernwagen.

Allerdings schliffen sich nun in der zweiten Elternzeit sehr traditionelle Aufgabenverteilungen in unser Familienleben ein. Haushalt, Care-Arbeit und Familienorganisation würde ich nach dem beruflichen Wiedereinstieg nicht alleine stemmen können. Bereits im Corona-Lockdown hatte ich das Buch von Laura Fröhlich „Die Frau für das Leben ist nicht das Mädchen für alles gelesen“. Zur gleichberechtigten Verteilung der mentalen Belastung (mental loads) stellt sie eine Steuerdatei mit sämtlichen Familienaufgaben auf ihrer Homepage zur Verfügung.

Jede einzelne dieser Aufgaben wollte ich mit dem Mann besprechen und verteilen. Alles war bis ins kleinste Detail geplant. Dann kam Magen-Darm-Virus, eine fiese Erkältung und plötzlich reduzierte sich unsere Absprache auf: „Ach, das wird schon.“

3. Pimp my Betreuungssystem: siehe auch Von Null auf Kindergarten – extented version. Der Inside-Bericht zur Eingewönung von Fünkchen.

4. Pimp my Achtsamkeit: Same story short – Während der Eingewöhnung von Fünkchen plante ich Saunagänge, Fußmassagen und Blogartikel für die kommenden zwei Monate zu entwerfen, damit ich gelassen in die Arbeit zurückkehren konnte. Tja. Stattdessen: Schüssel halten, Baby tragen und krank sein.

Es nützte alles nichts. Der berufliche Wiedereinstieg rückte mit einer Unerbittlichkeit näher, die mich zur Schokolade greifen ließ. Musste ich mich jetzt etwa von Stilfser Joch, Bloggen und Kanzlerinnenschaft 2029 verabschieden? Fand mein zukünftiges Leben nur noch zwischen Arbeit, Haushalt, Kinder und Krankheit statt? Wollte ich das? Hatte ich überhaupt eine Wahl?

Mama wandert mit Baby

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