Mamahonk im Wochenbett – Die letzten 3 Entwicklungsphasen
Die Metamorphose vom Hibbelhonk zum Mamahonk war mit der Haussturzgeburt zwar abgeschlossen und ich hatte das Adultstadium eines Hibbelhonks erreicht. Doch die adulten Organe und Eigenschaften mussten ihre volle Funktionsfähigkeit erst noch entwickeln. Dieser Prozess verlief in drei Phasen.
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1. Entwicklungsphase: Wochenbett im Krankenhaus
Die drei Tage Krankenhaus glichen einem Wellness-Aufenthalt beim Stanglwirt in Kitzbühel. Rundumbetreuung. Essen all inc. Physiotherapie. Eine Reha für mein Herz und Hirn. Beide waren derart überreizt, dass eine Integration in den Alltag zum sofortigen neuro-kardiologischen Lockdown geführt hätte. Meine urplötzliche Unschwangerschaft hielt ich kaum aus. Ich nahm es unserem Fünkchen übel, dass sie so abrupt geschlüpft war. Mein Bauch fühlte sich leer an. Furchtbar leer.
Also packte ich das kleine Gewürm auf ihn, denn ob ich nun von innen oder von außen in den Bauch gelatscht wurde, war wurscht. Hauptsache das Leben war spürbar. Dort lag sie die gesamten drei Tage. (Und liegt sie nachts immer noch. Sie wohnt quasi auf mir.)

Ich genoss die Zeit, die ich ausschließlich mit Fünkchen teilte. Der permanente Oxytocinausschuss förderte eine der Kernkompetenzen eines Mamahonks: Die Stillfähigkeit. Fünkchen leistete jedoch einen eher zurückhaltenden Beitrag dazu. Kaum vernahm ich ihr suchendes Schmatzen, legte ich sie an die Brust. Vielmehr vor die Brust. Sie zog einmal und schwups, schlief sie völlig entkräftet ein. Wow, dachte ich, wessen Kind bist Du? Ich kitzelte ihre Füße. Kurz schmatzte sie, um anschließend seelenruhig weiterzuschlafen. Als frischgebackenes Mamahonk reagierte ich möglicherweise etwas irrational. Als Fünkchens Teint sich – meiner Ansicht nach – gelb verfärbte, penetrierte ich die Zimmerklingel, um mir professionelle Unterstützung der Hebammen zu sichern.
Wahrscheinlich lag es daran, dass man mich darum bat, umzuziehen. (Etwa in ein Zimmer ohne Klingel? Ich hätte Verständnis.) Wahrscheinlich, aber nur wahrscheinlich klang mein mürrisches „Wieso?“ auf diese Bitte recht aggressiv. Man ließ mich, wo ich war. Stattdessen zog eine andere Mama zu mir. Sie sah aus wie Doof mit dem Körper von Dick. Wahrscheinlich verbanden die Schwestern mit ihrem Einzug die Hoffnung, dass das fröhliche Gequassel mich motivierte, den eigenen Erholungsprozess voranzutreiben und endlich den Finger vom Klingelknopf zu nehmen.
Je gelber meine Tochter wurde, desto verführerischer klang die Schwärmerei meines Zimmer-Zuwachses für die Flaschenfütterung. Dann kam die Chefvisite. Als ich vor sämtlichen Ärztinnen und Medizinstudent*innen in Tränen ausbrach und maunzte: „Wuääh, ich kann mein Kind nicht ernähren.“, faselte auch die Oberärztin etwas von Fläschchen geben. Überraschenderweise hielten einzig die Schwestern an meinem Wunsch, zu stillen, fest. Sie kneteten, drückten, strichen. Schließlich nahm mein Kind am 3. Tag endlich zu. Meine Brüste waren bereit für eine Stilloffensive und Papahonk durfte uns mit nach Hause nehmen.
2. Entwicklungsphase: Elternzeit im Doppel
Der Zeit im Krankenhaus folgte die einmonatige Elternzeit als Duo. Ein bisschen fühlte ich mich an Quarantänezeiten erinnert. Wie in Isolationshaft eben. Zwar heilte mein Dammriss fix und dank der flotten Geburt reichten die Energiereserven aus, um meinen Luxuskörper in Rekordzeit wieder in die Vertikale zu befördern. Doch das war auch notwendig. Denn unser Knöpfchen – die Erstgeborene – meckerte in dieser Zeit pauschal immer. Ganz nach dem Motto: Hier bin ich, also kümmert euch um mich.

In einem Ratgeber hatte ich gelesen, dem Erstgeborenen das neue Geschwister mit einem „Begrüßungsgeschenk schmackhaft zu machen.” Man könnte auch von Bestechung sprechen. Muss man aber nicht. Hauptsache die zwei haben einen guten Start. Knöpfchen wünschte sich schon ewig ein Prinzessinnenkleid. Bisher hatte die Feministin in mir stets die Oberhand über den Mutterinstinkt behalten und das Verschenken derartiger geschlechtsstereotypischer Bekleidung an die Großeltern delegiert.
Diesmal schlossen die Dinkeldörte und die Alice Schwarzer in mir einen Kompromiss und „erlaubten“ Fünkchen, ihrer Schwester ein feuriges Flamencokleid zur Begrüßung zu schenken. Tja. Sie hätten in den Ratgeber ruhig schreiben können, dass das nur bei Kindern bis 3 Jahre funktioniert. Knöpfchen durchschaute den Bestechungsversuch sofort und dampfte laut lamentierend in das Kinderzimmer ab. IM Flamencokleid natürlich. Mama war trotzdem doof. Und Fünkchen wurde ignoriert. Bombenstart in das Leben zu viert.
Im Gegensatz dazu meldete sich Fünkchen – die Zweitgeborene – nur, wenn sie wirklich etwas zu sagen hatte. Ihre Stimme pendelte dabei zwischen dem Meckern einer kaukasischen Kampfziege und dem Grunzen eines Erdferkels in der Morgendämmerung. Wurde sich Fünkchen ihrer Zuhörer*innen gewahr, mischte sich zur Ziege und dem Erdferkel ein Schuss Michael Jackson. Da sie aussah wie ein perfektes Model für Pamperswerbung, ertrugen wir die Geräuschkulisse problemlos. Ehrlich. Beim Anblick von Fünkchen definierte ich das Wort „niedlich“ neu. Das sage ich nicht, weil ich ihre Mutter bin. Natürlich nicht. Stiftung Warentest vergäbe sicherlich Bestnoten in der Kategorie „Kindchenschema“.
Nicht nur dieser Brutpflegeverhalten auslösende Schlüsselreiz gewährleistete meine emotionale und psychische Stabilität in dieser Zeit. Nein. Meine Kinderriegelsucht erhielt einen Sparingpartner: Die leckersten Haferplätzchen ever. Eine befreundete Mama erwies sich als Honkflüsterin und verabreichte mir eine ordentliche Dosis dieser süchtigmachenden Substanz. Sie verstand meine Bedürfnisse.
Das Baby heult? Haferplätzchen.
Was? Die Windel ist ausgelaufen? Haferplätzchen.
Stündliches Nachtstillen? Haferplätzchen.
Sie sind meine Antwort auf sämtliche Problemlagen im Alltag als Mamahonk. Dem zarten Stimmchen meines voluminösen Körpers, Kinderriegelsucht mit Haferplätzchen zu bekämpfen sei ungefähr genauso wirkungsvoll wie die Therapie von Methadonabhängigen mit Heroin nach dem 1. Weltkrieg, zeigte ich gekonnt den mentalen Mittelfinger und ignorierte es.

In dieser Phase fand die Ausbildung einer der zentralsten Fähigkeiten eines Mamahonks statt: Tiefzuschlafen, wo und wann immer sich die Gelegenheit dazu ergab. Ohne Scheiß. Regelmäßig wachte ich zuckend auf dem Klo auf – geradeso einem Sturz auf die Fliesen entrinnend. Nachts war ich weniger erfolgreich. Entweder wurde ich vom Knallen meines Hinterkopfs gegen die Bettrückwand wach oder vom entsetzten Meckern der Kampfziege mit Neigung zum Moonwalk, weil sie vom Arm gepurzelt war. Konsequenterweise stillte ich seitdem im Liegen. Ich schlief wenig, doch stets sofort und fest. In der wissenschaftlichen Literatur wird vom All-you-can-sleep-Syndrom gesprochen. Der Mann hatte schon in der ersten Elternzeit darunter leiden müssen.
3. Entwicklungsphase: Solo Elternzeit – Der absolute Endgegner im Wochenbett
Nach einem Monat ging Papahonk wieder einer bezahlten Tätigkeit nach. Es war die Zeit, in der ich an der für Mamahonks typischen Nein-Schwäche (lat. Mamitulation) erkrankte. Die Nein-Schwäche bezeichnet die Unfähigkeit eines erwachsenen Elternhonks gegenüber Kindern, konsequent „Nein“ zu sagen. Die Krankheit wird verursacht durch ein vernachlässigtes Erstgeborenes, welches Süßigkeiten naschen und sämtliche Disney Filme konsumieren möchte. Quasikompensation für den partiellen Verlust der elterlichen Aufmerksamkeit. Bei Papahonks verläuft die Erkrankung meist mild oder ganz ohne Krankheitszeichen. Mamahonks sind hingegen verstärkt betroffen.

Mich erwischte ein besonders fulminanter Verlauf. Das Krankheitsbild begann bereits wenige Tage nach Beginn meiner Solo-Elternzeit mit Erhalt einer Allgemeinverfügung der Stadt Jena und der Aufforderung des Gesundheitsamtes mich „unverzüglich in die selbst genutzten Bereiche zu begeben“. Mal wieder. Das kannten wir ja schon.
Zu Beginn bemühte ich mich um einen geregelten Tagesablauf OHNE Süßigkeiten und TV. Infolge der kindlichen Dauerdiskussionen traten zunehmendes Verhaspeln und Stottern auf, bis es schließlich zu einem Nein-Versagen bei mir kam. Der Zusammenbruch des Nein-Systems wurde begleitet von den hilflos anmutenden Ausrufen „Aber nur ausnahmsweise!“. Als in der darauffolgenden Woche die vierte Allgemeinverfügung folgte, erlag ich dem Nein-Schwäche-Syndrom vollständig.
Meine Töchter und ich quaranänierten uns somit durch die Elternzeit. Man könnte auch von Quelternzeit sprechen. Permanent stand ich zwischen den Stühlen. Knöpfchen wollte spielen, Fünkchen wollte trinken. Die viel gepriesene Stillkiste versagte vollständig. Extra dafür hatte ich einen LÜK-Kasten gekauft, mit dem sich Knöpfchen beschäftigen sollte, während ich stillte. Doch er ging in den regulären Fundus an Spielzeug über, bevor ich überhaupt „Stillkiste“ sagen konnte.
Irgendwann zeigte die Stadt Jena Erbarmen und erließ die Verordnung, Kontaktpersonen 1. Grades nicht mehr in die Quarantäne zu schicken. Ein Segen. Ich konnte mich wieder auf die wissenschaftliche Forschung konzentrieren.

Das Leben im Biotop des Mamahonks gestaltete sich über die Wochen hinweg immer interessanter. Das lag vor allem daran, dass es nunmehr auch ein infantiles Forschungsobjekt gab. Fünkchen war ein Babyhonk par excellence. Sie kam definitiv nach mir. In der Familie hatte ich den Ruf als bewegungseffizientes Baby.
Ähnlich Fünkchen. Während die Erstgeborene jede wache Minute nutzte, um die nervliche Belastungsgrenze ihrer Eltern mit krawalligem Getöse auszutesten, aß und schlief Fünkchen. Ausschließlich. Kürzlich ertappte ich mich bei einer Google-Recherche unter den Suchwörtern „Baby schläft zu viel“, dermaßen irritierte mich ihre Schlafperformance.
Lediglich in Sachen Timing erwies sie sich als absolut talentfrei. Regelmäßig verschlief sie nachts den Moment, in dem sie mir ihren Hunger mitteilen musste. Den stellte sie mit lautem Geplärre fest, wenn ihr Magen bereits bis zu den Wurscht-Knien hing. Halbtraumatisiert – da ich an den Dezibel gemessen einen Weltuntergang erwartete – stillte ich sie.
Es verging jedoch kein Tag, an dem ich nicht mit großem Staunen unser Fünkchen ansah und völlig aus dem Häuschen über ihre Anwesenheit geriet. So fest hatte sich in meinen Kopf die Überzeugung gebrannt, nie Mama eines zweiten Kindes sein zu dürfen. Immer wieder war ich überrascht und restlos begeistert, wenn sie den Michael Jackson gab. Sogar ihr Weinen fand ich einfach nur zuckersüß. In mir sind Liebe und Dankbarkeit pur!

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