11 Hürden zur Einschulung

Du machst mir keine Angst. Du bist nur eine weitere Hürde. Oder zwei. Oder drei? Gut, vielleicht viele.“ (mamastisch)

Die Einschulung von Knöpfchen. War das nicht herausragender Stoff für eine Artikelserie? Mitnichten. Eher für ein Besäufnis. Tatsächlich entstand dieser Artikel auch nur auf Druck meiner Verwandtschaft.

Naja, um ehrlich zu sein, muss ich mein herausragendes Talent kaschieren, mit meinem Artikel den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben. August vorbei. Ferien vorbei. Einschulung vorbei. Wie immer zu spät. Seit Wochen wollte ich von Knöpfchens Einschulung berichten. Stattdessen drückte ich mich davor. Wie ein Tiger schlich ich um das Thema herum. Im Schneckentempo. Quasi als Schnegel. Vielleicht, weil ich spürte, dass die Einschulung sich nicht in bezaubernden Instafotos verpacken lassen würde?

Dabei bot die Einschulung zahlreiche Anlässe, wegweisende Blogartikel zu verfassen. Sämtliche Instamamas und Familienblogger:innen machten es mir vor, befüllten DIY-Zuckertüten, verzweifelten am Kauf der Schulutensilien, planten die perfekte Party-Checkliste für die Einschulung ihrer Sprösslinge und regten sich über die deutsche Bildungspolitik auf. Da konnte ich nun mitreden. Tat ich nicht. Ätsch.

Stattdessen verstrich auf meinem Blog Woche um Woche um Woche, ohne dass das Wort Grundschule oder Bildung auftauchte. Und das als Bildungsfan. Was sagte ich? Bildungsgroupie! Wäre es möglich, hätte ich dreckigen Sex mit der Bildung. Tatsächlich ging ich täglich mit Bildung ins Bett. Bevor jedoch etwas Anrüchiges zwischen uns geschehen konnte, schlief ich ein. Schicksalsjahre einer Mama.

Dann also jetzt: *theatralisches Räuspern*

Es war einmal das Jahr 2022. Ein Jahr, in dem Knöpfchen das Bildungssystem Deutschlands kennen lernte. Knöpfchen lebte in einem Land, in dem Schulkinder gegebenfalls von der Polizei zur Schule begleitet wurden. Mamahonk fand solch eine Maßnahme zwar ein bissle over the top, schickte ihre Tochter trotzdem lieber in diesem Land zur Schule als in einem Land, in welchem uniformierte Staatsdiener Mädchen am Schulbesuch hinderten.

Der Schulgang war anspruchsvoll. Er glich einem Hürdenlauf. Ein Hürdenlauf der Stundenpläne, Pünktlichkeiten und Brotdosen. Und Tränen. Bei solch einem Hürdenlauf von LEICHTathletik zu sprechen, schien recht euphemistisch. Hürde für Hürde bewältigte die Honkfamilie. Kurze Zwischensprints inklusive. Wie schlug sie sich in dieser anspruchsvollen Disziplin? Es folgt der Bericht einer Helikoptermama. Read it, like it or leave it!

  1. Hürde – Die Anmeldung

Die Anmeldung erwischte mich eiskalt. Im Mai 2021. Knöpfchen war gerade mal vier Jahre bei uns. Ich hatte die Wehen ihrer Geburt noch nicht veratmet und sollte sie schon zur Schule anmelden? Außerdem: Es war Corona. Wir in Quarantäne. Eigentlich hegte ich den Plan vor der Einschulung von Knöpfchen, ausnahmslos alle Schulkonzepte zu wälzen, beim Tag der offenen Tür sämtlicher Grundschulen Jenas die Hand der Schulleitungen zu schütteln und ein Pädagogikstudium zur schulischen Bildung zu absolvieren! Solch eine Entscheidung durfte schließlich nicht leichtfertig getroffen werden!

Jedoch. Die Stadt Jena pfiff auf mein Pädagogikstudium. Und vorverlegte den Termin für die Schulanmeldung um unverschämte fünf Monate. Dementsprechend fühlte ich mich semivorbereitet. Und folgte dem altbewährten und hinreichend erprobten Pädagogikkonzept „Bauchgefühl“.  Ich entschied mich für die Schule – vor der Haustür.

Aus zwei unschlagbaren Gründen:

  • Sie lag vor der Haustür.
  • Ich hatte nichts Schlechtes über die Schule gehört.

Genau genommen hatte ich gar nichts über die Schule gehört. Das wertete ich als Pro-Argument.

Sollte Knöpfchen kläglich zugrunde gehen – diese Erwartungshaltung baute ich beim Schmökern sämtlicher online Artikel zum Thema Grundschule auf – war ich wenigstens fein raus. Ich schob einfach die Schuld auf das Schulamt, das mir bevor ich auch nur Einschulung schreiben konnte, mein Baby entriss.

Kind wirft Brief ein
Da freute Knöpfchen sich auf die Schule

2. Hürde – Elternabend in der Kita

Zur Vorbereitung der Eltern auf die Schule führte die Kita einen Elternabend durch. Mit zwei Zielen: Sie lieferten einen Inside Grundschule-Bericht und einen Halbjahresplan zur Vorbereitung der Vorschulkinder.

Für mich stand der Elternabend sinnbildlich für den Spagat, der mein Jahr 2022 bestimmen sollte. Säugling auf der einen, (Vor)schulkind auf der anderen Seite. Und das erste Mal war ich froh über das Coronavirus, das sämtliche sozialen Interaktionen im Winter vor den Rechner und auf die Couch verlagerte.

So konnte ich – hochschwanger wie ich war – erst den Elternabend besuchen, anschließend meinen Geburtsvorbereitungskurs. Ohne das Haus zu verlassen. Alles Online. In Letzterem lernte ich, dass Datteln einen hervorragenden Beitrag zur schmerzfreien Geburt leisten. Was sich als wahr erwies, wie ich wenige Tag später schmerzlos feststellte.

3. Hürde – Schuluntersuchung

Fand idealerweise statt, während die Honkfamilie mal wieder in Quarantäne war. Wir ermogelten uns einen neuen Termin. War superunspektakulär.

4. Hürde – Tag der offenen Tür

Im Frühsommer führte die sorgfältig ausgewählte Schule einen Tag der offenen Tür durch. Eigentlich ein Tag, um Freude und Neugier bei den Vorschulkindern zu wecken. Bei meinem Kind rief er Panik hervor. Da ahnte ich das erste Mal, dass der Schuleintritt von Knöpfchen mir mehr abverlangen würde als ihre Eingewöhnung in die Kita.

Es war die Zeit, in der alles aus den Fugen geriet. Knöpfchens Seele wackelte. Die Elternseele mit. Zum Glück wurden wir sehr professionell begleitet. (Das schreibe ich, weil ich weiß, dass die sehr professionelle Begleitung diesen Blog liest und ich ihr unendlich dankbar bin!)

5. Hürde – Elternabend in der Schule

Der Elternabend der Schule fand in der Schule statt. Er bewies ein ebenso schlechtes Timing wie ich selbst. Naja, eigentlich hatte es Corona timingmäßig verkackt. Es hatte nicht nur uns, sondern auch unsere Vertretung erwischt. Mit Ach und Krach testete ich mich am Tag des Elternabends frei. Doch Corona wirkte noch nach. Nur mit Verstärkung meines Bruders konnte ich teilnehmen.

Mir war es wichtig, Präsenz zu zeigen. Und die Klassenlehrerin kennenzulernen. Der erste Elternabend. Das war wie der Schlupf eines Kükens. Die Prägephase fand innerhalb der ersten Minuten statt. Da durfte ich als Helikoptermama nicht fehlen.  

Mein erster Eindruck von der Klassenlehrerin: Sie sah aus wie eine Mischung aus meiner Mutter und meiner Oma. Mit Wanderhemd und Kurzhaarfrisur. Kurzum, das war ich in 25 Jahren. Ob sie wohl Kinderriegel mochte?

Mein Hirn hatte Angriffe von Corona und Stillhormonen erlitten. Wunderte es, dass das für Multitasking zuständige Modul außer Betrieb war? Während des gesamten Elternabends war ich unfähig, mich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit der Frage, ob die Lehrerin Kinderriegel mochte? Vielleicht konnte ich sie mit eins, zwei Packungen bestechen, sodass sie mein Knöpfchen bevorzugt behandelte? Ich täte es. Also die Lehrerin bevorzugt behandeln. Gegen zwei Kinderriegelpackungen. Besser drei.

Glücklicherweise protokollierte mein Bruder vorbildlich. Außerdem erhielt ich eine Liste aller anzuschaffenden Schulmaterialien. Diese reichte ich ungefiltert an die Verwandtschaft weiter. Damit war auch die Frage nach Befüllung der Zuckertüten geklärt. Nimm das Instamama.

6. Hürde – Schnuppertag und Schnuppersportunterricht

Die Lage der Schule erwies sich bei den Schnuppertagen in der Schule als ungemeiner Vorteil. Zumindest für Helikoptermamas. Der Mann und ich nutzten die Gelegenheit, von unserem Balkon direkt in die Sporthalle zu lunzen. Mit Fernglas. Halt. Stop. Ich stand auf dem Balkon und lunzte in die Sporthalle. Dafür kassierte ich einen kräftigen Anraunzer des Mannes: Wie konnte ich nicht undercover gehen? Wie er. Und aus dem Küchenfenster in die Sporthalle lunzen.

Unabhängig vom Standort, waren wir beide nicht imstande, Knöpfchen mit dem Fernglas auszumachen. Die Vorschulkinder rannten hin und her. Hin und her. Nur Knöpfchen war nicht zu sehen. Aufgeregt wischte ich die Linse und drehte am Okular. Das war Zündstoff für mein Katastrophenhirn. Dieses wähnte Knöpfchen schluchzend in der Ecke der Turnhalle. Sofort wählte ich die Nummer meiner Psychotherapeutin. Ich legte erst auf, als dem Mann ein glückliches und völlig verschwitztes Kind in die Arme lief.

Frau schaut durch Fernglas
Helikoptermama im Einsatz

7. Hürde – Zuckertütenfest.

Mit dem Zuckertütenfest wurden die Vorschulkinder vor ihrer Einschulung aus dem Kindergarten verabschiedet. Ehrlich gesagt, kann ich kaum etwas darüber berichten. Ich war zu beschäftigt meine Tränen hinter der Sonnenbrille zu verbergen. Das Einzige, das ich deutlich vor Augen habe, ist wie der Mann in den Rewe hetzte. Um die abgezählten Brötchen zu kaufen, die wir fälschlicherweise verspeist hatten. Sorry nochmal.

Die Kinder übernachteten dann mit ihren Erzieherinnen in der Kita. Pardon, Kiga, Beim Abschied weinte Knöpfchen sehr. Jedenfalls, solange wir da waren. Kaum waren wir weg, war alles spitze. Wie immer. Ein Verhaltensmuster, dass sie leider sehr verinnerlicht hatte.

8. Hürde – letzter Kitatag

Knöpfchen verließ ihre Komfortzone. Ich plante eine dramatische Ansprache für die Erzieherin. Ich wollte ihr danken, für all die Jahre. Sie adoptieren. Stattdessen umarmte ich sie völlig verschwitzt, heulte ihr in die Bluse und vergaß völlig, ihr den Flyer für ein Express-Studium als Grundschullehrerin in die Hand zu drücken.

Und Knöpfchen? Blieb erstaunlich gelassen. Jedenfalls für ihr Temperament. Tatsächlich wunderte sie sich sogar über mich und meine Emotionen, boxte mich immer wieder in die Seite und sagte verlegen: „Mama“. Damals ahnte ich schon, dass sie den Abschied von der Kita erst später realisieren würde. Jetzt freute sie sich erstmal nur auf eine Woche Familienzeit.

9. Hürde – Wanderung

Diese nutzten wir für ein Übergangsritual vom Kindergarten in die Grundschule. Ich unternahm mit Knöpfchen eine Art „Walk Away“. Ihr wisst schon. Ein Initiationsritus, bei dem junge Männer in der Wildnis Zeit mit sich und der Natur verbringen, ihre Fähigkeiten testen und Zukunftsvisionen entwerfen. Gut, wir waren drei Mädels (0, 6 & 40), unser Wildnis die Saale-Horizontale und es sprangen nicht gerade die zehn Gebote, sondern nur eine mittelmäßige Metapher heraus: „Lernen ist wie ein Berg – anstrengende Steigung, aber tolle Aussicht.“ Das reibe ich ihr nun regelmäßig unter die Nase. Nur für diesen Satz habe ich das gemacht – 20 Kilogramm Kind und Rucksack durch die Berge bei sengender Hitze geschleppt.

Kind wandert im Wald
Knöpfchen auf Wanderwegen

10. Hürde – Einschulung

Ich hatte einen Black Out. Mein für die Tränendrüsen verantwortliches Hirnareal fuhr mit voller Auslastung und beanspruchte 99 Prozent meines Denkapparats. Daher erinnerte ich mich nur fragmentarisch an diesen Tag:

Die Kleiderfrage entpuppte sich als Totalschaden. Fünkchens Rüschenkleid passte nicht mehr zu ihrem Körper, Knöpfchens Kleid nicht mehr zum Wetter und mein Kleid? Das hatte ich vergessen zu kaufen. Genau wie das Fotografieren. Das stellte ich allerdings erst fest, als ich den WhatsApp-Status unserer Freunde sah.

Großeltern durften nicht mit in die Schule. Alle außer meine Mama kündigten an, auf den Schulhof zu kommen. Meine Mama kam direkt in die Turnhalle.

Einschulung
Knöpfchen feiert ihre Einschulung

Der Mann und ich entschieden vor einem Jahr gemeinsam, dass wir zur Einschulungsfeier in eine Gaststätte gehen. Das lag an meinem minimalen Interesse, für 30 Menschen zu kochen und Getränke quer durch Jena zu fahren, während ein Baby meine Milchdrüse malträtierte. Zwei Wochen vor der Einschulung hatte der Mann das vergessen. Er wollte sparen. Er wollte so viele Leute wie möglich Er wollte ins Vereinsheim. Das war ausgebucht. Diskussionen in Dauerschleife.

Dann war der Mann doch glücklich, dass wir in der Gaststätte feierten. Alle nannten ihn „Boss“. Fünkchens Einschulung will er nun auch in der dort feiern, und ihre Taufe und seinen nächsten Geburtstag.  Nur unsere Hochzeit….Die nicht. Die war – ginge es nach dem Mann – als Grillparty konzipiert. Nur so, falls jemand fragt, wieso wir nicht verheiratet sind?

Ach ja. Es regnete fast 30 Liter. Es brauchte lediglich drei Weizengläser, um diese bei einem Leck im Zeltdach aufzufangen. Wusste ich jetzt. Eins zum Schöpfen. Eins zum Weggießen. Eins in Reserve.

11. Hürde – Die erste Schulwoche

Der erste Schultag war gekommen. Der Mann und ich schliefen maximal unruhig. Ich träumte, dass ich keine Materialien gekauft hatte und die Lehrerin mich dafür zusammenfaltete (Aß definitiv keine Kinderriegel. So unentspannt wie die war.). Selbst unser Baby verbrachte eine unruhige Nacht. Die Einzige, die friedlich schnarchte, war Knöpfchen. Gerädert brachten der Mann und ich sie in die Schule. Mit einem Lächeln marschierte sie ins Klassenzimmer.

Vater geht mit Tochter
Der 1. Schultag von Knopf

Unser Knöpfchen war nun ein Knopf.

Zwischen Bringen und Abholen machte mein Katastrophenhirn erneut Überstunden. Ich sah meinen Knopf, allein und verlassen auf dem Schulhof sitzen, andere Kinder lachten über sie. Der Schweiß brach mir aus. Wie würde ich sie vorfinden? Allein? Bei der Hortnerin? Gar nicht?

Keine Ahnung, woher diese Bilder kamen. Ich hatte eine schöne Grundschulzeit. Soweit ich mich erinnern konnte. Wahrscheinlich das Internet. Ja. Das musste es sein. Im Zweifel war das Internet schuld.

Ich fand unseren Knopf auf dem Spielplatz.

Ich nahm sie freudestrahlend in den Arm. Als hätte sie gerade den olympischen Sieg für Synchronklöppeln eingefahren.

Ich fragte: „Wie war es? Was hat dir am besten gefallen?“

„Das Essen.“, antwortete sie. Mein Kind! Eindeutig. Gleichzeitig erkundigte sie sich verschämt: „Haben wir noch Wundsalbe? Mein Po ist wund vom Sitzen.“ Für den ersten Schultag eine recht passable Bilanz.

Vier Tage lang ging alles gut. An Tag fünf entschied sich mein Kind, die Schule doof zu finden und wieder in die Kita zu gehen.

Wie es weiterging? Ob unser Knopf sich an die Schule gewöhnte? Das erfahrt ihr, sobald ich wieder in der Lage bin, Zuversicht auszustrahlen. (Spoiler alert: Jeder Schul-Gang fühlt sich gegenwärtig an, wie zu fester Stuhlgang.)

Mama wandert mit Baby

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