Rollenverwirrung

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Die Wissenschaft entwickelt ja stets neue Modelle, um die Gesellschaft zu beschreiben. Während früher ein saugfaules Kind als … naja eben saugfaul bezeichnet wurde, widmet man sich heute ausgiebig den Ursachen, dem Verlauf und den Folgen von Saugverwirrung. So die moderne Bezeichnung für die Konkurrenz von Nippel und Nuckel bzw. deren Auswirkung.

Ich frage mich, inwiefern die Situation von Berufseinsteigermüttern wissenschaftlich beschrieben ist? Mit absoluter Sicherheit gibt es ein Haufen Wälzer mit viel zu kleiner Schrift zu dieser Thematik. Leider habe ich dank Familie und Beruf keine Zeit dazu, sie mir zu Gemüte zu führen.

Ihr seht, ich bin angekommen. Angekommen in dem großen Mysterium Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das erste Opfer? Mein letzter Blogbeitrag. Gerne hätte ich in ihm die letzte Woche in Elternzeit ausführlichst seziert, alle die Mütternetzwerke, Sportkreise, Krabbelgruppe und Reisen zu meinem Bruder abgebildet und mit meiner Gefühlswelt abgeglichen.

Stattdessen wird alles mit einem Satz abgehandelt: Schönes Wetter animierte mein Kind und mich zu viel Bewegung. Tatsächlich gelang es meinem Knöpfchen innerhalb einer Woche alle Kräfte zu mobilisieren und mobil zu werden. Es begann noch während meiner Elternzeit das erste Mal alleine zu krabbeln, sich hinzusetzen, zu klatschen und aufzustehen. Na gut, jetzt waren es doch drei Sätze.

Aber eben kein ausführlicher Blogbeitrag. Denn dieser ist unserer völlig neuen Situation gewidmet: Mama arbeitet wieder. Und das schmeckt – süß-sauer. Eigentlich unbeschreiblich. Als ich am Montag das erste Mal auf Arbeit ging, zerrissen mich meine Emotionen. Einerseits machte ich mir in die Hose vor den neuen Aufgaben, Kolleg*innen und der neuen Chefin. Andererseits überlagerte die tiefe Trauer über die Trennung von meinem Baby sowohl den Neid auf meinem Mann, der jetzt in das Elternzeitparadies Einzug hält, als auch den Schiss vor der neuen beruflichen Aufgabe.

Mein Fazit nach einer Woche? Ich bin rollenverwirrt. Die Sehnsucht nach meinem Kind zog mich am ersten Tag in der Mittagspause noch nach Hause. Wenn ich nachmittags nach Hause kam, quoll mein Herz über, wenn ich das Lachen meines Kindes sah. Morgens verließ ich die Wohnung mit Tränen in den Augen, wenn Knöpfchen bereits beim Anblick von mir in Jacke herzzerreißend protestierte.

Dazwischen – tja – dazwischen vergesse ich all das völlig, stürze mich total in die neue Herausforderung, studiere Richtlinien, Verordnungen, Prozesse. Spüre das Kribbeln im Bauch, das ich immer spüre, wenn ich erlebe wie politische und gesellschaftliche Herausforderungen in den kleinen Tätigkeiten in meiner Arbeit widergespiegelt werden.

Ich habe jeden einzelnen Tag meiner Elternzeit genossen. Allerdings überkommt mich gerade das Gefühl, dass ich jetzt, da ich wieder arbeite, ausgeglichener zu sein scheine. Ja gut, es war erst eine Woche Arbeit. Zumal ich mich auch erst einarbeite. Da ist es sowieso entspannter. Es ist auch ein Segen, dass Papa in Elternzeit ist. Um Haushalt und Einkaufen muss ich mir keine Gedanken machen.

Körperlich gesehen bin ich auch ganz und gar nicht ausgeglichen. Meine Tochter versucht meine Abwesenheit nachts zu kompensieren, indem sie sehr viele Kuscheleinheiten einfordert, sodass weder ich noch der Papa gegenwärtig eine realistische Vorstellung von dem Zustand ausgeschlafen haben. Das ist furchtbar anstrengend. Jede Nacht ist sie 2-3 Stunden wach und schläft nur im Familienbett ein. Jegliche Versuche, sie in ihrem Bett zu beruhigen, enden in Tränen. Außerdem denke ich ernsthaft über das Abstillen nach, weil sie mich wieder beißt. Reagiert sie so ihren Frust ab?

Dennoch. Mein Selbstwertgefühl ist wieder da. Ich definiere mich nicht mehr ausschließlich über die erfolgreiche Bedürfniserfüllung und liebevolle Förderung meines Kindes. Doch wie es bei fast jedem weiblichen Wesen so ist, warte ich auf den großen Knall. Das kann doch nicht die richtige Entscheidung gewesen sein? Müsste es sich nicht total hart und schlecht anfühlen? Wieso bin ich so zufrieden? Müsste ich nicht traurig sein? Ehrlich gesagt, verwirrt es mich, dass ich so nach dieser beruflichen Rolle giere und kaum dass ich auf Arbeit bin, die Mutterrolle ablege.

Mal sehen, was ich nächste Woche so zu berichten weiß. Denn es steht die erste Dienstreise an. Zielvereinbarungen werden getroffen. Und ich lerne das Team kennen, das ich führen soll.

Ob ich alle mit einem Kinderriegel besteche?

Mama wandert mit Baby

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