Diagnose: Helikoptermama?
Ich blicke der Frau mir gegenüber fest in die Augen. Ihr Name ist Manu. Sie redet und redet. Ihr Stimme ist nicht unangenehm. Trotzdem habe ich bei ihren Worten einen Kloß im Hals und bin kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Knöpfchen spielt zu meinen Füßen – nichtsahnend, welcher Sturm in meinem Herzen tobt. Verstohlen blicke ich zu meinem Mann, dessen Knie fast bis an sein Kinn reichen. Geht es ihm genauso? Glänzen seine Augen nicht auch als müsste er gleich weinen? Da! Ich sehe es ganz deutlich. Im linken hinteren Augenwinkel ist ganz viel H2O.
13 Monate nach Knöpfchens Geburt finde ich mich umgeben von Unmengen Spielzeug in der Kindertagesstätte wieder. An einem viel zu kleinem Tischchen, auf einem viel zu kleinen Stühlchen. Eigentlich habe ich diesen Moment herbei gesehnt. Endlich gibt es die Welt auch in Knöpfchens Größe. Endlich hat jemand professionelle Antworten auf die Anforderungen meines Kindes. Endlich kann es sich zwischenmenschlich austoben.
Als Manu den Ablauf der Eingewöhnung beschreibt, habe ich trotzdem einen mentalen Overload. Nach 35 Jahren mit mir selbst, überrascht mich das nicht. Wohl wissend, dass meine Emotionen und ich uns in den entscheidenden Momenten ins Gehege kommen, habe ich am Vortag das erste Elterngespräch mit meiner Mutter durchgesprochen.
Sie ist die beste Profipädagogin, die ich kenne. Mit über 40 Jahren Erzieherinerfahrung, kommentierte sie die bevorstehende Situation trocken so: “Tja, nun ist der Spaß vorbei! Ab jetzt würcht noch jemand in der Erziehung mit rum.”
Damit war ich erstmal geerdet. Und sie sollte Recht behalten. Als Knöpfchen Freude strahlend auf Manu zutapst, ihr einen Baustein kraftvoll in die Hand drückt, nur um ihn Nanosekunden später ebenso vehement zurückzufordern und wie ein Honigkuchenpferd grinsend den Erfolg seines Begehrens zur Kenntnis nimmt, ist ein leises “Krrrrrrrrrrck” gefolgt von einem “Boiiiiiiiiiing” zu hören. Tatort: Snoozle-Raum. Opfer: Mein empfindliches Mutterherz. Es knackst und hüpft zugeich in meiner Brust.
Dabei erhält unsere Wanze einen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Start in die Kitasphäre. Vier Monate Elternzeit mit Papa haben sie von der Unberechenbarkeit ihrer Altersgenossen entwöhnt. So reagiert sie leicht überfordert, wenn zu viele Kinder zu wild um sie herum krabbeln.
Kaum klopft ein Kind mit der Schaufel im Sandkasten neben ihr, werden Eltern im Umkreis von 5 Kilometern durch einen verzweifelten Angstschrei aktiviert, sie vor dem teuflischem Ungemach zu befreien.
Da ist es für mich eine echte Erleichterung zu hören, dass die Kleine zusammen mit nur einem Kind eine neue Gruppe eröffnet. Einen Monat lang werden sie und ein anderes Mädchen mit der Erzieherin und dem dazugehörigem Elternteil alleine eingewöhnt. Wenn dann die neuen Kinder kommen, ist unsere Wanze quasi Dienstälteste. Sie kennt dann die coolen Spielzeuge, besten Verstecke und hatte ausreichend Zeit eine stabile Bindung zu den Erzieherinnen aufzubauen.
Dafür bin ich dankbar. Trotzdem habe ich jetzt auch irgendwie Schiss. Was ist, wenn sie krank wird? Wenn sie die Kindergärtnerin doof findet? Die anderen Kinder gemein zu ihr sind? In meinem Magen kribbelt es wie vor einer Prüfung. Was ist jedoch, wenn sie die Kindergärtnerin lieber als mich mag? Oder ihr heimisches Spielzeug plötzlich total langweilig findet? Vielleicht verdreht sie entnervt die Augen, wenn wir sie zu früh aus dem Kindergarten abholen? Mir bricht der Schweiß aus.
Als Manu uns zum Abschied die Räumlichkeiten zeigt, reiße ich dem Papa das Kind aus dem Arm und drücke es fest an mich. Am liebsten will ich zum nächsten Bankautomaten, mein Konto plündern und irgendwo auf einer Insel in der Nordsee einen Leuchturm in eine rustikale Behausung umwandeln. Nur mein Kind, die raue See und ich. Stattdessen löst mein Mann meine Schockstarre, indem er sämtliche Wasseranreicherungen aus meinem Gesicht entfernt.
Den Abend verbringe ich anschließend am PC, plündere mein Konto und statte mein Kind mit kitagerechtem Equipment aus. Während ich Bügeletiketten, Matschhosen sowie eine zweite Montur von…naja, allem eben bestelle, frage ich mich stumm, ob ich vielleicht nicht loslassen kann? Bin ich etwa genau das, was keine sein will und doch irgendwie immer ist? Eine Helikoptermum? Eine Glucke eben.
Nachdenklich wuchte ich meinen Körper ins Bett und betrachte meine schlafende Tochter. Wie immer liegt sie völlig quer im Bett. Ihr “Gullgull” (Nuckel) ist aus dem Mund geplumpst. Leise schnorchelt sie vor sich hin.
Mich durchströmt ein warmes Gefühl. Mein Kind – das ist mein Ein und Alles. Nie hätte ich gedacht, so heftig und bedingungslos lieben zu können. Bevor sie kam, habe ich mein Leben wirklich genossen. Doch jetzt ist es erfüllt. Erfüllt mit so unglaublich viel Zuneigung, Vertrauen und Wärme. Abends falle ich zufrieden in mein Bett, voll Vorfreude auf den kommenden Tag, weil ich weiß, sie wird breit grinsend und vor überschäumender Energie im Bettchen hopsend darauf warten, dass ich wach werde und erfreut quieksen, wenn ich sie hochnehme.
Ganz ehrlich, sind wir nicht alle ein bisschen Helimama?!
Hier könnt ihr unsere Eingewöhnung von Knöpfchen nachlesen:
- 8 Tipps für die Eingewöhnung
- Diagnose: Helikoptermama?
- Eingewöhnung in die Kita – Preview
- Die Eingewöhnung – zweite Woche – the beginning
- Die Eingewöhnung – zweite Woche – the proceeding

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5 Antworten auf “Diagnose: Helikoptermama?”